Wenn man sich in die phantasievollen Bilderwelten von Heike Feddern begibt, trifft man auf Vertrautes in fremder Form. Sorgfältig kreiert die Künstlerin hintergründige Geschichten voller Überraschungsmomente und versteckter Details, die einen sofort in ihren Bann ziehen. Träume, Märchen und Mythen vermischen sich mit der Realität. Doch Heike Fedderns Bilder sind weder reine Märchenillustrationen noch politisch aufgeladen. Vielmehr bieten sie dem Betrachter durch den gezeigten Augenblick ein Panoptikum verschiedener Vorlagen und Geschichten an, die uns allen vertraut sind und aus denen jeder sein eigenes Geschehen konstruieren kann. Oft ist es eine einzelne, merkwürdige Gestalt, die den Ausgangspunkt bildet und um die sich das weitere Bildgeschehen narrativ entwickelt. Dabei entstehen bizarre Geschichten, die die Künstlerin mit Assoziationen und Eindrücken aus dem alltäglichen Leben verknüpft. Und durch die Verknüpfung einer märchenhaften oder surrealen Ausgangssituation mit der Gegenwart schafft sie so Bezüge zu unserer modernen Welt. Dabei sind die eigenwilligen Darstellungen einer realistischen Malweise verpflichtet. Dass Heike Feddern ihren Schwerpunkt im Studium auf Malerei und Illustration legte, ist unschwer zu erkennen. Denn sie versteht es meisterhaft, verschiedene Malstile zu kombinieren und Geschichten aufzubauen, in denen die Grenzen zwischen innerer und äußerer Welt zerfließen. Die suggestive Bildsprache weist Anklänge an den Surrealismus auf, scheinen die dargestellten Szenen doch oft unwirklich, traumhaft und direkt dem Unterbewussten entsprungen zu sein.  Die ungewöhnliche Kombination von Personen, Handlungsabläufen und Umgebungen, die wir in unserem Bildgedächtnis nicht als zusammenhängend verankert haben, stellen unsere Sehgewohnheiten herausfordernd auf die Probe. Man erhascht einen Blick auf die Abgründe der menschlichen Psyche und wird vor so manch unlösbares Rätsel gestellt. Wie Alice im Wunderland fällt man immer tiefer und tiefer hinein und trifft auf absonderliche Gestalten, wie Rotkäppchen im Tarnrock, gehörnte Geishas oder eine ikonenhaft überhöhte Frau Holle. Die Arbeiten sind bevölkert von skurrilen phantastischen Wesen, die sich munter unter das Alltagsgeschehen mischen, rätselhafte Handlungen vollführen oder den Betrachter – der oft die Rolle eines heimlichen Beobachters einzunehmen scheint – aus ihrer absurden Umgebung heraus plötzlich direkt fixieren. Das thematische Potpourri von Heike Feddern, überbordend an Ideen und Inhalten wie eine barocke Festtafel, ist auch vor allem eines: eine Hommage an die Kraft der Fantasie.

Anna Wondrak M.A. / München, September 2011